학술논문

K OTÁZKÁM FOLKLÓRU PRAŽSKÉHO DĚLNICTVA
Document Type
research-article
Source
Český lid, 1979 Jan 01. 66(2), 73-80.
Subject
Language
Czech
ISSN
00090794
Abstract
Das Milien der Arbeiterviertel von Prag hat seine spezifischen Eigenheiten. Von der Hälfte des 19. Jáhrhunderts angefangen gehört zu deren charakteristischen Zügen eine bedeutende Fluktuation der Arbeiterschichten: die Leute wechseln häufig ihren Beruf und Wohnsitz. Weiters muß man dessen bewußt sein, daß die Mehrzáhl junge Leute mit Interesse um die Politik und Sozialprobleme bilden: ihre Freizeit widmen sie der Vereinstätigkeit und Selbstbildung. Dies ist also ein viel zu wenig passender Umwelt für die Pflege der Folklore, welche eine gewisse Kontinuität und Stábilisierung der Gesellschaftsgruppe erfordert. Weiters gibt es hier auch noch eine psychologische Barriere: der Arbeiter wehrt sich bewufít gegen die Tradition, die er aus dem Gebiet, aus welchem er stammt, mitbrachte — sie ist für ihn ein Symbol riickständiger Verhältnisse. Auch die Tendenz zu schriftlichen Äufierungen ist stärker. Von der Folklore bleibt daher nur der Gesellschaftsgesang in seiner Funktion; die mündliche prosaische Überlieferung überschreitet nicht die Grenze der Sprachkommunikation. Der Folklorist steht hier vor Erscheinungen, die bereits im eigentlichen Sinne des Wortes an der knappen Grenze der Folklore stehen. Nichtsdestoweniqer interessiert er sich um alle nichtprofessionellen Äufierungen mündlicher und belletristischer Art, welche die Haltungen im Leben der zuständigen Gesellschaftsgruppe ausdriicken. Im Gesichtskreis des Interesses des Folkloristen befinden sich also die verschiedenartigsten Keime der Folkloreelemente: die Redensart, scharfsinnige Äufierungen, Neckereien, Charakteristik und Beschreibung, Illustrationsepisoden bis zu den zusammenhängenden Erinnerungen aus dem Familien- und öffentlichen Leben. Manche Äufierungen der Arbeiterkultur knüpfen an die Folklore mit ihrer Funktion an: zu den spontanen Äufierungen gehören Agitationsreden und Auftritte, sowie ursprünglich auch Schlagworte (z. B. Proklamationen bei den Umziigen am 1. Mai). Beim Studium der volkstiimlichen Arbeitererzählungen hatte die direkte Terrainerforschung in der Gegenwart nur einen teilweisert Erfolg. Die Genre-Amorphität führte dazu, daß die Materiale, welche in einer geleiteten Konversation gesammelt wurden, nur selten eine derartige ästhetische Qualität erreichten, um im eigentlichen Sinne des Wortes zur Folklore gezahlt werden zu können. lm Gegemteil gewann das Folklor emät erkil häufig ein Ethnographe, dem der Informator das beschreibene ethnographische Faktum mit einer Illustrationsepisode vorführte. Die Tupen der tradierten Folklore schliefien eine langdauernde Tradierung aus. Daher sind wir für den älteren Zeitraum nur an indirekte Berichte über Themen oder Erzählgelegenheiten angewiesen. Wertvolle Wahrnehmungen und Episoden sind besonders in den Memoiren der politischen Arbeiter-Aktivist en enthalten; sie veröffentlichten dieselben entweder selbst in Form einer Autobiographie, oder handelt es sich um die Bearbeitung derselben durch Schriftsteller oder Joumalisten. Zu den Themen, die sich der Folklore nähern, gehören z. B. die Erinnerungen an die älteste Feier des 1. Mai, Episoden aus den Kämpfen um das Stimmrecht im Jahre 1905, Erinnerungen an den illegalen Kongrefi der Bolschewiken im Jahre 1912, an die Kolportage der Parteipresse, an das Zusammentreffen mit hervorragenden Vormännern der Arbeiterbewegung. Manche von diesen Erinnerungen an Persönlichkeiten gewinnen den Zug einer „utopistischen Legende". Aus der nichtpolitischen Sphäre tradiert man in der Arbeiterüberlieferung die Familienerinnerungen: woher die Familie stammt (geographisch und sozial), wie die Eltern miteinander bekannt wurden. Erinnerungen an die Kindhett des Erzählers, an seine Schul jahre und an die ersten Jahre nach Antritt der Arbeit. Zu den charakteristischen Gebilden der mündlichen Arbeit eräufierung en gehören auch aktuelle Scherze, die sich im Kollektiv um so ausgeprägter geltend machen, je härter die Bedingungen sind, unter welchen die Menschen arbeiten und leben. In diese Gruppe gehören auch Spitznamen und Toponymien (z. B. Bezeichnungen von Arbeiterkolonien). Die Ironie, Parodie (z. B. Parodien von Volksliedern und Sprichwörtern) und scharfsinnige Äußerungen bilden seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auch einen charakteristischen Bestandteil der Arbeiter pr esse: der Arbeiter brachte das Material, der Redakteur bereitete es für den Druck zu. Diese Symbiose des Arbeiterinformatoren und des an die Seite der Arbeiter orientierten professionelen Journalisten ist sehr charakteristisch und äußert auch die Richtung der Entfaltung von der Folklore bis zur Bildung neuzeitiger Arbeitertraditionen.